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...und umso tiefer war der Fall —
Melissa Agretti Gioberti Cumson
Eine Charakteristik von THOMAS J. PUCHER
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Melissa Agretti. Eine Frau wie aus dem Bilderbuch. Atemberaubend schön. Ihre Schönheit hatte sie von ihrer Mutter geerbt, ihren Geschäftssinn von ihrem Vater. Eine Italienerin mit griechischem Vornamen. Melissa bedeutet "die Honigsüße". Wahrhaft ein Name, der zu ihr passte. Ihr konnte kaum ein Mann widerstehen. Mit ihrem zauberhaften Lächeln zog "Missy", wie man sie als Kind nannte, die Männer an wie ein Magnet.
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Ihre erste Liebe galt Cole Gioberti. Beide waren noch unerfahren. Sie verbrachten nur eine Nacht zusammen, da war Melissa schon schwanger.
Doch ihre Liebe zu Cole war ihrem Vater Carlo ein Dorn im Auge. Er verbot ihr, den jungen Mann zu sehen, und verkuppelte sie mit Lance Cumson. Zwar liebte Melissa immer noch Cole, doch ihr Hunger nach Macht veranlasste sie, dem Ratschlag ihres Vaters zu folgen. Die intelligente Schönheit, die Pekanrollen über alles liebte, heiratete Lance. Denn sie hatte vor, den Traum der Agrettis, Falcon Crest zu bekommen, zu verwirklichen. Da schien ihr die Bindung zu Lance, der es vermutlich erben würde, genau richtig. In ihr Schlafzimmer durfte er jedoch nicht — zunächst jedenfalls.
Dann kam ein Schicksalsschlag: Der Tod ihres Vaters. Jemand hatte ihn brutal ermordet. Melissa trauerte um ihren Papa, den sie so sehr geliebt hatte. Jetzt hatte sie keinen mehr, bei dem sie sich aussprechen konnte, war ganz allein auf Falcon Crest. Umso mehr wollte sie es in ihren Besitz bringen.
Ihr größtes Glück fand sie in Joseph, ihrem und Coles Sohn. Sie durchlebte Stunden der Angst, als er kurz nach der Geburt schwer krank wurde, Stunden des Glücks, als sie ihn in die Arme nehmen konnte, nachdem er gesund geworden war.
Raffiniert, wie sie war, brachte sie Angela, die Großmutter ihres Mannes, dazu, die Schulden, die auf ihrem Erbe, den Agretti Vineyards, lasteten, zu tilgen. Sie setzte von jetzt an die Weinernte der Agrettis in raffiniertester Weise ein, um ihre Gegner für ihre Zwecke einzuspannen. Sie rechnete sich genau aus, wer Interesse an ihren Trauben hatte, und spielte ihre Feinde gegeneinander aus.
Die Leidenschaft, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, ließ sie jedoch nicht zur Ruhe kommen. Sie sehnte sich nach der Liebe eines Mannes. Ihr Gatte war sehr anziehend. Da begann sie, ihr Bett mit ihm zu teilen. In einem ständigen Wechsel zwischen Liebe und Hass schlief sie mit ihm oder ließ ihn vor der Schlafzimmertür stehen.
Inzwischen erfuhr sie, wer ihren Vater umgebracht hatte. Es war ausgerechnet Julia Cumson, ihre Schwiegermutter. Von diesem Moment an begann sie, die Familie ihres Mannes zu hassen. Beinahe hätte sie es geschafft, Julia wegen des Mordes an ihrem Vater in die Gaskammer zu bringen.
Zurück zur Liebe. Richard Channing. Dieser Mann faszinierte Melissa. Sie gab sich ihm nach langem Zögern hin und versuchte, auch aus dieser Beziehung Kapital zu schlagen. Sie ging sogar so weit, dass sie behauptete, das Baby, das sie austrage, sei von ihm. Doch sie erlitt einen Tiefschlag, denn er ließ sie fallen, als sie ihm geschäftlich nichts mehr bieten konnte.
Mit Lance teilte sie nur noch ab und zu das Bett. Nicht einmal die Lust nach Sex hielt sie mehr zusammen.
Ein Schritt, den Melissa immer bedauerte, war, dass sie ihren Sohn Joseph Cole, der mittlerweile verheiratet war, überließ, um als Erbin für Falcon Crest in Betracht zu kommen. Sie erkannte erst, nachdem ihre zweite Schwangerschaft durch einen Autounfall jäh beendet wurde, was sie durch den teuflischen Pakt mit Angela Gioberti Channing verloren hatte. In ihrem Hass gegen Angela vereinsamte sie in der viktorianischen Villa von Falcon Crest. Das einzige Mittel, diese Stätte des Unheils zu verlassen, war die Scheidung von Lance.
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Aber auch im Haus der Agrettis, wo sie von jetzt an lebte, war sie allein und einsam. Nun zog sie erneut Cole, der eben erst seine Frau verloren hatte, in ihren Bann.
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Sie führte ihn lange an der Nase herum, bis sie ihre Bekanntschaft mit Greg Reardon aufgab und ihm sagte, dass nur er für sie in Frage käme. Schmerzerfüllt und zutiefst gedemütigt war Melissa, als Cole sie am Hochzeitstag vor dem Traualtar stehen ließ, weil sie ihm verschwiegen hatte, dass sie mittlerweile unfruchtbar war. Doch die Versöhnung kam, und sie wurden ein Paar. Eine Leihmutter war es, die sie jetzt brauchten, weil sie sich noch ein Geschwisterchen für Joseph wünschten. Zuerst dachte Melissa daran, ihre Cousine Robin dafür einzusetzen, doch als der betrunkene Cole mit Robin die Nacht verbracht hatte und diese schwanger geworden war, wünschte sie sich, diesen idiotischen Vorschlag nie gemacht zu haben. Von jetzt an waren Streitereien an der Tagesordnung. Ein Liebesdreieck war entstanden. Melissa liebte Cole, der jedoch zeigte auch Beschützerinstinkt für die schwangere Robin. Zu dieser Zeit hatte sie in ihrem Hass auch einen Mordanschlag auf Angela arrangiert, weshalb sie jetzt ins Gefängnis musste. Verzweifelt musste sie erkennen, dass es während ihrer Abwesenheit Cole an nichts fehlte, denn Robin war ja da.
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Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis kam sie mit seinem Fehltritt mit ihrer Cousine nicht zurecht und verführte Christopher Rossini, den Halbbruder ihres ersten Mannes, der, ganz nebenbei gesagt, katholischer Ordenspriester war, was die leidenschaftliche Melissa aber wenig störte. Die Liaison war allerdings nur von kurzer Dauer. Nach der Annullierung ihrer ersten Ehe war es möglich geworden, Cole endlich auch kirchlich zu heiraten; aber dieser Schritt konnte ihre Ehe nicht mehr retten. Ständige Eifersüchteleien und Vorwürfe richteten sie zu Grunde. Scheidung hieß das letzte Wort.
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Eric Stavros sah wirklich gut aus. Aus einem gemeinsamen Geschäft wurde mehr: Liebe. Doch Melissa hatte nie Pausen zwischen ihren ständigen Affären. So war es kein Wunder, dass nie eine Beziehung funktionieren konnte, denn schließlich hatte sie ja noch nicht einmal das Scheitern der letzten richtig verdaut. Trennung schon nach wenigen Wochen.
Dass Lance, der sie wieder liebte, das Zerwürfnis mit Eric Stavros herbeigeführt hatte, erkannte Melissa erst nach ihrer erneuten Heirat. Wut und Verzweiflung lagen auf ihrer Seele. Sie bemühte sich um eine Versöhnung mit Eric, um die beste Beziehung, die sie je hatte, wieder aufzunehmen. Doch er lehnte ab. Als sie den verärgerten Lance dann im Bett von Dina Wells überraschte, geriet ihr Leben völlig außer Kontrolle. Trotz ihrer Liebe zu Joseph, für den sie seit der Trennung von Cole das Sorgerecht hatte, war Selbstmord das einzige, an das sie noch dachte. Doch dann erkannte sie, dass sie Lance diesen Gefallen nicht tun konnte. Es machte viel mehr Spaß, Lance weh zu tun. Sie stellte ihn in der Öffentlichkeit bloß, schikanierte seine Geliebte. Lances Rache folgte aber: Er ließ ihr Joseph wegnehmen, der von jetzt an bei seinem Vater lebte — in Australien. Jetzt war Melissas Leben endgültig zusammengebrochen. Den Verlust ihres einzigen, abgöttisch geliebten Kindes konnte sie nicht verkraften. Rache, nur noch Rache schoss ihr durch den Kopf.
Durch hinterhältige Manipulationen brachte sie Maggie Gioberti, die Mutter ihres Ex-Mannes Cole, dazu, ihr Baby Kevin zur Adoption freizugeben. Geschickt fädelte sie es ein, dass sie selbst Kevin adoptierte, und begann ein Doppelleben. Sie verwischte ihre Spuren und versuchte, sich mit dem Kind ins Ausland abzusetzen. Doch mittlerweile suchten Maggie und ihr Mann Chase fieberhaft nach ihrem Kind, das sie irrtümlich zur Adoption freigegeben hatten. Melissas Machenschaften wurden durchschaut. Als sie keinen Ausweg mehr sah, raste sie in ihrer Verzweiflung mit dem Auto ins Hafenbecken von San Francisco. Der kleine Kevin, den sie bei sich hatte, wurde aus dem Wasser gerettet. Sie selbst überlebte auch. Doch von jetzt an musste sie mit der Gewissheit leben, dass ihretwegen Chase Gioberti, der ihr in die San Francisco Bay nachgesprungen war, ertrunken war. Ein erneuter Nervenzusammenbruch folgte.
Doch sie bekam auch diesmal ihr Leben wieder in den Griff, akzeptierte, dass ihr Sohn Joseph sich entschlossen hatte, bei seinem Vater zu bleiben, und kümmerte sich nach der Scheidung von Lance zusammen mit Dan Fixx, ihrem neuen Freund, wieder um ihr Weingut. Das gefiel ihrer alten Feindin Angela jedoch gar nicht. Melissa dachte schon, wieder verrückt zu werden, als sie Stimmen in ihrem Haus hörte und die Wände wackelten. Erst als sie am Rande eines erneuten Zusammenbruches war, fand sie zufällig heraus, dass Angela sie mit Hilfe von Horrorfilmtechniken in die Klapsmühle bringen wollte. Das konnte sie sich nicht gefallen lassen. Sie nahm sich vor, Angela von ihrem Thron zu stürzen und selbst die "Königin von Tuscany Valley" zu werden. Zunächst verstand sie sich nicht mit ihrem Onkel Frank, der plötzlich wieder im Tal auftauchte, aber mit der Zeit mochte sie ihn. Er erzählte ihr von einem Familienschatz der Agrettis. Es dauerte nicht lange, und Melissa fand ihren "Schatz": ein altes Dokument. Sie ging vor das Nachlassgericht und klagte. Falcon Crest wurde ihr zugesprochen, Angela war endlich außer Gefecht gesetzt — dachte sie sich zumindest.
Doch alles kam anders. Melissa drehte durch, als Angela mit einem Trick die Echtheit der Urkunde, mit der sie Falcon Crest bekommen hatte, in Zweifel zog. Ihr Freund Dan war weg, Lance wollte auch nichts mehr von ihr wissen, obwohl sie ihn noch immer liebte, und Joseph war so weit weg. Ihr Leben hatte keinen Sinn mehr. Melissa wählte den Freitod. Doch ihr Ende sollte auch das Ende der Frau sein, die sie mindestens ebenso sehr hasste, wie in Butter geschwenkten Tintenfisch: Angela Gioberti Channing. Melissa wusste, wie sehr Angela Falcon Crest liebte. Deshalb verschüttete sie im Herrenhaus Benzin, zündete es an und legte sich schlafen. Weder die Villa noch Melissa konnten gerettet werden. Melissa Agretti war eines der Opfer von Falcon Crest geworden. Sic transit gloria mundi.
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